Wissen als differenzierender Faktor
Ein Unternehmen ist ein Wissenskörper, eine Mediathek, eine Fähigkeiten-Börse. Vielleicht müsste man es als Plot denken. Wie eine Netflix-Serie nimmt das Unternehmen über viele Jahre seine Form an. Mit dem Plot verändern und entwickeln sich seine Figuren. Wollen sie ihren Platz behalten, sind sie aufgefordert, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten laufend zu aktualisieren. «Jobs that do not require any ongoing learning will likely be the victims of automation during the digital age». Die BeraterInnen von BCG sprechen von einem Lernvertrag. Weitergedacht, ersetzt dieser den Arbeitsvertrag. Lernangebote sind auch deshalb wichtig, weil sich im Zuge der Digitalisierung sämtliche Branchen um dieselben Spezialisten reissen. Attraktive Opportunitäten des Lernens binden Talente.
Sollen Wissen und Fähigkeiten den Unterschied machen, braucht es Entwicklungswege und Anreize, die das Vertiefen in einem Thema belohnen. Transfers übersetzen das Lernen des Individuums in ein Lernen der Organisation.
Stärkere Rotation im Personalkörper
Die Zusammensetzung der Mitarbeitenden wechselt schneller als früher. Verantwortlich zeichnen sich die Beschleunigung durch neue Technologien sowie die kürzere Verweildauer auf einer Stelle. Projektverträge entsprechen dem Wunsch vieler, selbständig und für mehrere Arbeitgeber zu arbeiten. Höhere Löhne für Freelancer sind üblich (wenn auch die soziale Absicherung kleiner ist). Multi-Karrieren im Sinne von Slashern, die sich in mehreren Dingen verwirklichen, gewinnen an Bedeutung. Wie die New York Times schreibt, sind wir Publizist / DJ oder Werbeberaterin / glutenfreie Bäckerin. Organisationsgrenzen werden relativ, Karrieren finden in Ökosystemen statt.
Rotation wird für Unternehmen gefährlich, wenn sie zu viel Know-how verlieren. Gegensteuer bieten ökosystemorientierte Laufbahnen, die es Mitarbeitenden erlauben, ihr Wissen bei mehreren Unternehmen zu vertiefen und einzubringen.
Neue Organisationsformen
Neue Karrieren drängen sich drittens durch neue Organisationsformen wie die Projektorganisation oder die Holokratie auf. Teure, umständliche Hierarchien widersprechen kreativen, neugierigen, selbstbestimmten Menschen. Zudem folgt Wissensarbeit selten einem linearen, vorhersehbaren Prozess. Eher geht es chaotisch zu, durch Stop & Go, Feedbackschlaufen und Interdisziplinarität. Technologie übernimmt Aufgaben von Führungskräften – das Zuteilen von Arbeit, die Zusammenstellung eines Projektteams oder das Weiterleiten von Information. Dazu passt die Vorstellung von «distributed Leadership». Für Projektarbeitende ist die vertikale Karriereleiter irrelevant, bleiben sie doch in Projekten. Nicht-lineare Mosaikkarrieren, die sich kaum über Jahrzehnte planen lassen, häufen sich.
Je mehr neue Organisationsformen Realität werden, desto wichtiger werden hierarchieunabhängige Entwicklungspfade. Karriere zu machen bedeutet dann, die Tiefe, Breite und den Einfluss seiner Gedanken zu vergrössern.
Kein Bock auf Chefsein
Schweden ist bekannt geworden, weil «niemand mehr Chef sein will». Daran sei unter anderem die Hypereffizienz heutiger Unternehmen schuld. Assistenzfunktionen und Positionen im mittleren Management werden eliminiert, Managerinnen dadurch einsam. Der hohe Arbeitsaufwand und die mediale Exponierung schrecken zusätzlich ab. Pyramiden geraten ebenso in Verruf, weil sie der zeitgeistigen Dezentralisierung widersprechen. Sie passten zu Gesellschaften, die an die Genialität weniger Entscheidungsträger glaubten. Durch neue Organisationsformen und den demographischen Wandel sind schliesslich weniger Spitzenpositionen zu besetzen. Oben angekommen, dürften viele Babyboomer noch bis 85 auf ihren Chefsesseln sitzenbleiben. Deloitte spricht von Biographien, die sich über ein halbes Jahrhundert erstrecken.
Wenn Menschen keine Motivation mehr darin finden, Karriereleitern hochzusteigen, sind alternative Perspektiven gefragt. Status, Macht und Entscheidungsbefugnisse genügen nicht mehr – zumal vermehrt dezentral entschieden wird.
Ist das Unternehmen ein Narrativ, heisst Karrieremanagement sowohl den Plot als auch die Rollen der Protagonistinnen zu entfalten. HR unterstützt die Organisation darin, vorhandene Potenziale zu nutzen, um die Geschichte weiter zu erzählen. Mitarbeitenden hilft sie, ihren Platz darin zu finden.
Statt Leitern hochzuklettern, bedeutet Karriere künftig: