Alto Pharmacy (USA, 1 Mrd.)
Ask your pharmacist, not the Internet
Alto Pharmacy ist eine Online-Apotheke, die sich als zweiseitige Plattform versteht. Basierend auf ärztlichen Rezepten werden die Medikamente durch Kuriere kostenlos nach Hause geliefert. Ärztinnen und Ärzten wird versprochen, die Papierarbeit zu erleichtern. Eine durchschnittliche Praxis könne drei Stunden pro Tag einsparen. Auf Seiten der Patientinnen positioniert man sich mit vier Schwerpunktthemen: Dermatologie, Fertilität, psychische und sexuelle Gesundheit. Für letztere verschickt man PrEP – Pillen, um sich präventiv vor HIV/Aids zu schützen. Den Versand flankiert telemedizinische chatbasierte Beratung in der eigenen App – wenn man zum Beispiel unsicher in der Anwendung der Medikamente ist. Man kennt sich in der Einhorn-Szene. Als COO amtet seit kurzem der ehemalige CEO des einhörnigen eZigaretten-Herstellers JUUL.
InSightec (ISR, 1.3 Mrd)
Using sound waves to treat instead of a scalpel
InSightec wurde zwar schon 1999 gegründet, aber erst im Juni 2020 zum Einhorn. Das israelische Start-Up will das Operieren neu erfinden. Statt mit dem Skalpell will man Patientinnen künftig mit Ultraschall behandeln. Das würde Eingriffe ohne Narben und Infektionen sowie mit kürzeren Aufenthalten im Spital ermöglichen. Operieren will das israelische Start-Up bei neurologische Erkrankungen, Prostatakrebs, Metastasen in Knochen und Uterus-Myomen. Der Fokus der Tätigkeit liegt momentan auf der Behandlung von Parkinson bedingten Tremoren. Hintergrund: Ein Prozent der über 60-Jährigen ist von der Krankheit betroffen. In der neuartigen Operation werden Gehirnareale mit einer Art Helm präzise beschallt. Zum Geschäftsmodell gehören diagnostische Leistungen. Seit 2016 kooperiert man mit Siemens Healthcare.
CMR Surgical (UK, 1 Mrd)
Our aim at CMR Surgical is to make minimal access surgery available to all
Auch CMR Surgical Einhorn arbeitet am Operationsaal der Zukunft. Zu den überzeugten Investoren gehören ABB, LGT und GE Healthcare. Anders als bei InSightec wird bei CMR Surgical der Körper immer noch aufgeschnitten, allerdings mit Robotern, mit dem «Versius surgical robotic system». Der medizinische Direktor streicht Kompaktheit, Modularität und Mobilität als Differenzierungsvorteile gegenüber anderen Anbietern hervor. Diese Vorzüge würden das System vergleichsweise günstig machen. Zum Angebot gehören Trainingseinheiten, um das neuartige Operieren einzuüben. Die Werbevideos präsentieren effektvoll weissglänzende Roboter-Arme vor schwarzem Hintergrund. Höchstpräzise gehen sie mit Klammern, Sägen und Messern um. Allerdings amten sie nicht autonom, noch werden sie von einem Menschen kontrolliert. Überhaupt schenkt man dem Zusammenspiel von Mensch und Maschine grosse Bedeutung. Das Einhorn spricht von Human Technology.
Roivant Sciences (CH, 9.1 Mrd)
We are a new type of biopharmaceutical company focused on applying technology to drug development
Das Pharmaunternehmen Roivant Sciences hat sich hinter Global Switch (UK, Datenzentren, 11 Mrd.) zum zweit wertvollsten Start-Up Europas überhaupt gemausert. Hintergrund sind Finanzspritzen des Vision Funds von Softbank. 2018 investierte der japanische Konzern 1.1 Mrd US Dollar in das Schweizer Start-Up. Das Unternehmen identifiziert und übernimmt Wirkstoffe, die in der Pipeline von Biotech- und Pharmakonzernen steckengeblieben sind. Um an der Gesundheit der Zukunft zu arbeiten, arbeitet man mit Vants, quasi Start-Ups im Start-Up. In den letzten Monaten kamen «technology focused Vant» dazu, um den «Entwicklungs- und Kommerzialisierungsprozess» von Medikamenten zu verbessern. Zu den 16 Schnellbooten der Bio-Tech-Holding gehören Immunovant (Immunsystem), Dermavant (Dermatologie) und Respivant («Respiratory Diseases»). Die Büros befinden sich in Basel und New York.
Babylon Health (UK, 2 Mrd)
We’re for health, for all
Babylon Health ist eines von vielen Einhörnern, das leidenschaftlich in die Märkte der Telemedizin vordringt. Wie bereits bei Alto Pharmacy, wird die Plattform zweiseitig gedacht - mit Ärztinnen auf der einen Seite und Patienten auf der anderen. Hintergrund der Aggressivität ist das Rennen um die vordersten Plätze in einem Wettbewerb, der mit grosser Wahrscheinlichkeit den Regeln der Plattformökonomie folgen wird. Ist dies der Fall, gehen die Märkte relativ schnell mit einer Oligopol-Struktur einher. Die Mission von Babylon Health ist weniger kapitalistisch formuliert. Ziel sei es allen Menschen auf Erden Zugang zu bezahlbaren Gesundheitsdienstleistungen zu verschaffen. Das Team ist interdisziplinär aufgestellt. Neben Ärzten arbeiten Mathematiker und Ingenieure an der Zukunft. Das erstaunt nicht, wenn man sich die Lösung von Babylon anschaut: Es ist eine App mit einem einfachen Geschäftsmodell. Eine jährliche Flatrate kostet 149 Pfund. In die App ist der Chatbot Ask Babylon eingebaut: «Babylon understands symptoms you enter and provides you with relevant health and triage information».
Doctolib (FRA, 1.14 Mrd)
Construire le système de santé de demain
Doctolib arbeitet an der Reform und vor allem an der Digitalisierung der Prozesse des französischen Gesundheitssystems. Ärzten verspricht man die Praxis der Zukunft zu bauen – unter anderem durch Digitalisierung und Automatisierung der Terminfindung und Krankenakten. Patienten können online ihre Krankengeschichte einsehen und mit einem Klick anderen zugänglich machen. Doctolib will den Behandelten nicht nur die Macht über ihre Daten geben, sondern auch die Zusammenarbeit im Gesundheitssystem verbessern. Zum Geschäftsmodell von Doctolib gehört eine Buchungsplattform für Arzttermine. Dort kann Ärztinnen suchen, zum Beispiel einen Bauchchirurgen und mit wenigen Klicks einen Termin vereinbaren. Die Ärztinnen und Ärzte präsentieren sich wie in den sozialen Medien mit Fotos und Lebenslauf. Einen Preiskatalog gibt es auch, interessanterweise aber keine Ratings. Man hat die Wahl zwischen einem persönlichen Treffen und einer Konsultation en vidéo.
Devoted Health (USA, 1.8 Mrd)
Easy, Affordable, And a whole lot more caring
Devoted Health ist eine US-amerikanische Krankenkasse, die sich aber als «Provider» von Gesundheitsangeboten bezeichnet. Zu den Investoren gehören die Super Angel Andreessen Horowitz. Ende 2019 hatte man eine Bewertung von 1.8 Milliarden erreicht, ohne einen einzigen Kunden zu haben. Devoted Health vermittelt Ärzte und Apotheken - zurzeit erst in Texas und Florida. Man konzentriert sich auf die ältere Bevölkerung. Diese sehe sich einem, «confusing, expensive, inpersonal» System gegenüber. Im Hintergrund setzt Devoted Health auf neue Technologien. Mit Predicitive Analytics sollen Krankheitsverläufe frühzeitig erkannt beziehungsweise wohl auch Kosten und Risiken geschätzt werden. Die Datenorientierung wird deutlich durch das Engagement von DJ Patil, der früher Chief Data Scientist bei LinkedIn und eBay war. Mit Bright Health tummelt sich eine andere Krankenkasse (USA, 1 Mrd.) unter den neuen Einhörnern.
Hims (USA, 1.1 Mrd)
All things men’s wellness
Auch Hims ist ein Einhorn aus den USA. Es handelt sich um ein Start-Up, das sich an der Schnittstelle von Gesundheit und Lifestyle bewegt und sich explizit an Männer richtet. Die Angebote gliedern sich zurzeit in fünf Bereiche: Haarausfall, Sexualität, Hautpflege, Nahrungsergänzungsmittel und psychische Gesundheit. Für diese werden neben Pillen (Propranolol) gegen «Performance Anxiety» verschrieben und seit neuem «Anonymous Support Groups» angeboten. The world has been turned upside down. We feel it too.. In Zukunft will man auch Gesprächstherapien per Video und Telefon anbieten. Bei rezeptpflichtigen Medikamenten wie Finasterid gegen Haarausfall oder Tadalafil gegen Erektionsstörungen erfolgt nach dem Check-out ein «Online Assessment». Ausserdem gibt es einen COVID-19-Schnelltest für Zuhause. Hims ist hipster. Die Vitamine werden in Form von Gummibärchen verkauft, die Models sind tätowiert und tragen lange Bärte.
Lyell Immunopharma (USA, 1.16 Mrd)
Curative cell-based immunotherapies for human disease
Das Biotech Unternehmen Lyell Immunopharma aus San Francisco erforscht unser Immunsystem. Im Zentrum stehen T-Zellen. Sie bilden eine Gruppe unserer weissen Blutzellen und übernehmen überwachende und zerstörende Funktionen in der Abwehr gefährlicher Erreger. Zusammen mit dem Pharma-Riesen GlaxoSmithKline will man deren «Fitness» steigern und so die Wirkung unseres Abwehrsystems stärken. Im Auge hat man insbesondere Zelltherapien, um Tumore zu bekämpfen. Dabei werden die patienteneigenen Zellen zu Medikamenten. Das Team von Lyell ist hervorragend vernetzt. Gründer und CEO ist Richard Klausner. Er leitete das National Cancer Institut der USA (mit einem jährlichen Budget von 5 Milliarden) und die Bill & Melinda Gates Stiftung.
Orca Bio (USA, 1 Mrd)
We are committed to advance a new class of cell therapies that will safely reboot a patient’s immune system to defeat cancer
Eines der jüngsten Einhörner überhaupt ist Orca Bio. 2016 gegründet, wurde es innert kürzester Zeit, am 17. Juni dieses Jahres, als Einhorn wiedergeboren. Zum Verwaltungsrat gehören der eben angetroffene Richard Klausner sowie der frühere CEO von Novartis, Joe Jimenez. Das amerikanische Start-Up arbeitet an «hochpräzisen» und personalisierten Zelltherapien für Gen, Blut- und Immunsystemkrankheiten, zum Beispiel Leukämien. Blut- und Immunsysteme sollen «reprogrammiert werden», indem entnommenes Material Zelle für Zelle neu “sortiert” wird. Wie bei Lyell spielen auch bei Orca Bio die T-Zellen eine wichtige Rolle. Eine erste Anwendung befindet sich gegenwärtig in der klinischen Testphase. Ziel der Forscherinnen und Forscher ist es die Probleme heutiger Behandlungen, wie Infektionen, Akzeptanz neuer Zellen und Rückfälle zu verhindern.