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PostDigital – Trends nach und neben der digitalen Transformation

Auf ins Postdigitale

Kein anderer Trend prägte in den letzten Jahren die öffentliche Diskussion so stark wie die Digitalisierung. Auch wenn sich das Thema in Richtung KI und Datenethik verschiebt, verbleibt der technologische Fortschritt doch im Zentrum der Diskussionen auf den Panels und Frontseiten dieser Welt. Doch in der Fixierung auf diese eine Transformation gehen zwei andere wichtige Metatrends vergessen - zum einen der demographische Wandel, zum anderen der Klimawandel.

Die Chiffre des Postdigitalen beleuchtet als Gedankenspiel die Trends nach der Digitalisierung. Es sind jene Entwicklungen gemeint, welche uns einst beschäftigen werden, wenn der Hype rund um das Digitale verebbt ist. Deren Errungenschaften sind in naher Zukunft ebenso selbstverständlich und unspektakulär sein wie der Zugang zu Hochgeschwindigkeitszügen, Wasser oder Strom. Selbstverständlich entstehen die postdigitalen Trends nicht erst dann, sie sind schon jetzt zu beobachten.

Wenn uns aber die Digitalisierung beginnt zu langweilen, wenn sie uns nicht mehr zum Nachdenken anregt, wenn wir die Schlagworte nicht mehr hören können, wenn sie für Unternehmen keine Differenzierungspotenziale mehr schaffen - dann wird es Zeit, links und rechts des digitalen Mainstreams hinzuschauen. Die im Folgenden präsentierten acht Trends stellen keine abschliessende Sammlung dar. Ihr Zweck ist es nicht die Wirklichkeit abzubilden, sondern die Fantasie anzuregen.

Sehnsucht nach Stille

Die digitale Gesellschaft beschleunigt und steigert die Komplexität. Ständig sind wir online, jagen die Optionen, tun uns schwer zu entscheiden, uns auf eine Sache zu konzentrieren. Es leuchtet und zirpt. Der Kühlschrank reklamiert, wenn wir ihn nicht schliessen, täglich könnte man jemandem zum Geburtstag gratulieren. In diesem Durcheinander sehnen wir uns nach Einfachheit, nach Reduktion und Fokus. Erst in der Stille gelingt es uns, die richtigen Fragen zu stellen und uns, unsere Gefühle und Beziehungen mit der nötigen Distanz zu reflektieren.

New Hippie

Im Postdigitalen gibt es florierende Kulturen des Alternativen. An deren Anfang stehen die Kritikpunkte am Digitalen, zum Beispiel Beschleunigung, Virtualisierung, Roboterisierung, Zentralisierung, totale Ökonomisierung. Die neuen Hippies orientieren sich am Urmenschlichen, am Körperlichen, an der Natur, am physischen Raum, dem Sinnlichen. Sie wenden sich zeitweise ganz vom Internet ab, vom Drang nach Fortschritt und Konsum und profitieren in anderen Momenten, Lebensphasen und -situationen voll vom Digitalen. New Hippie steht stellvertretend für eine Gesellschaft, in der quere Lebenswürfe der Normalfall sind und wir wagen zu verzichten.

Letzte Räume

Der Klimawandel legt neue Räume der Erde frei. In diesen stossen wir auf neue Ressourcen, gewinnen wir neue Energiequellen und bauen wir die Städte der Zukunft. Das Schmelzen von Eis legt neue maritime Verkehrsrouten frei. Auch jenseits der Erde – im All und im Virtuellen – entstehen neue Räume. Das ermöglicht neue ökonomische Potenziale und weckt Begehrlichkeiten. Die Transformation löst Ressourcenkonflikte und ein Gerangel um Einfluss aus. Im Postdigitalen vermischt sich das analoge und digitale selbstverständlich, der Aufenthalt im Virtuellen erlaubt Zeitreisen und öffnet neue Zugänge zum Selbst.

Abfall – Das neue Gold

Immer noch sind wir eine Wegwerfgesellschaft, die sorglos mit ihren beschränkten Ressourcen und Energiequellen umgeht. Je länger der Klimawandel anhält, desto heikler wird diese Sorglosigkeit. Das notwendige Bekenntnis zur Nachhaltigkeit verlangt eine Kreislaufwirtschaft, in der keine Abfälle mehr entstehen. Was weggeworfen würde, ist Ausgangspunkt des Neuen. Wir werden versuchen, den Gedanken des geschlossenen Kreislaufes auf das Immaterielle zu übertragen - auf Fähigkeiten, Wissen, Daten und vielleicht sogar das Geld. Recycling und Remix stehen stellvertretend für Innovation durch Kombination.

Gesellschaft der 100-Jährigen

Der technologische beziehungsweise der medizinische Fortschritt ziehen unsere Leben in die Länge. Wir bewegen uns in die Richtung einer Gesellschaft der 100-Jährigen, in der ein dreistelliges Alter weit verbreitet sein wird. Das Verhältnis von Jung und Alt verändert sich, die Alten gewinnen an Macht, die Lebensphase des Alters wird neu erfunden. Das lebenslange Lernen wird durch neue Freiheiten erst nach der Pension richtig spannend. Um die Sozialwerke zu schonen, aber auch um länger Teil der aktiven Gesellschaft zu bleiben, werden wir bis 70, 80 oder 90 arbeiten. Wenn Kreativität die wichtigste volkswirtschaftliche Ressource sein soll, gilt es neue Wege zu den Ideen älterer Menschen zu finden.

Neue Sprachen

Billige Chips, 5G sowie die künftigen Interfaces (zum Beispiel intelligente Ringe, Brillen, Kontaktlinsen und Lautsprecher) schaffen ganz neue Möglichkeiten, um Daten zu übertragen. Wir bewegen uns in die Richtung einer Post-Text-Gesellschaft, in der wir vermehrt mit Bildern, Fotos und Videos kommunizieren. Unsere Beziehungen gewinnen an Intensität und Intimität, weil wir unseren Mitmenschen ganze Erinnerungssequenzen und Erlebnisse per Social Media zugänglich machen können. Gleichzeitig droht eine Elitenbildung in Folge abnehmender Lese- und Schreibkompetenz. Durch das Internet der Dinge lernen wir die Kommunikation zwischen Babys, Tieren und Pflanzen besser zu verstehen.

Neues Sterben

Je älter wir werden, je mehr wir in einer individualisierten Gesellschaft leben, desto mehr möchten wir den Zeitpunkt und die Art unseres Sterbens selbst bestimmen. In einer postdigitalen Gesellschaft sterben wir zweifach – einmal analog und einmal digital. Seinen digitalen Tod vorzubereiten, bedingt zu klären, was mit unseren Daten, Profilen und Avataren - unserem digitalem Erbe – nach unserem Ablegen passiert. Sie stellen Wissen dar und können ökonomisch verwertet werden. Gleichermassen sind sie im Sinne der Geschichtsschreibung Zeugen der Vergangenheit und Grundlage von künstlicher Intelligenz, also der Lebewesen der Zukunft. Das Digitale entlockt neue Versprechen des ewigen Lebens.

Superstar-Ökonomie

In der postdigitalen Gesellschaft wird Arbeit für immer mehr Menschen zur Performance. Sie löst sich endgültig von festen (Zeit-)Räumen. Die Kreativen, die neue Ideen liefern und die heutigen Lösungen, Institutionen und Spielregeln disruptiv verändern, bilden die Elite der Zukunft. Die Superstar-Ökonomie steht stellvertretend für die ungleiche Beteiligung an den Renditen des Fortschritts. Das gilt sowohl auf der Ebene der Unternehmen wie auch der Individuen. Die neuen Ungleichheiten provozieren neue Fragen im Hinblick auf die Demokratisierung der Wirtschaft, die Gestaltung von Lohn- und Steuersystemen aber auch die Solidarität einer digitalen Gesellschaft.

Bedeutung der Post-Digitalen

Ein wesentlicher Teil der Unternehmensführung ist Storytelling. Die erzählten Geschichten strahlen einerseits in die Welt der Produkte und Dienstleistungen. Sie versprechen uns eine bessere Zukunft, nehmen unsere Hoffnungen und Ängste auf. Anderseits sind die Trends für den Arbeitsmarkt relevant. Nicht nur zeigen die Trends, welche Fähigkeiten in Zukunft gefragt sind. Die Narrative des Postdigitalen schaffen auch Möglichkeiten, um sich als Arbeitgeber zu positionieren. Gerade die Generation Z will Teil einer grösseren Idee sein, will Mehrwerte für die Gesellschaft leisten. In beiden Märkten hilft das Postdigitale die Eindimensionalität, den Selbstbezug, das Inhaltslose des Digitalen aufzubrechen.

Zusammenfassung in HR Today

Beitrag HR Today


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