In der Nachkriegszeit lieferten sich die USA und Russland ein legendäres Space Race, bei dem es primär um Prestige und geopolitische Machtdemonstration ging. Doch als die ersten Satelliten im Orbit stationiert waren und die ersten Menschen den Mond betreten hatten, flaute die Begeisterung für den Weltraum im Post-Apollo-Zeitalter in der breiten Öffentlichkeit merklich ab. Die markanten Ziele wurden erreicht, die Ausgaben für die Fortsetzung des Space Race erschienen plötzlich unvernünftig.

Nun aber ist der Weltraum eindrücklich auf die Bühne des Weltgeschehens zurückgekehrt. Geopolitische Argumente sind mindestens so wichtig wie ökonomische.

In diesem Bulletin will ich die neuen interstellaren Versprechen decodieren. Welche Märkte wollen Akteure wie SpaceX erobern? Welches wirtschaftliche Potenzial haben der Mond und die Erschliessung des Alls? Inwiefern ist die Marktlogik des interstellaren Raums mit jener des digitalen Raums zu vergleichen? Und welche Technologien könnten durch das neue Interesse am Weltraum die Zukunft der Menschheit prägen?

Kapitelübersicht

  • Im Vergleich zur Begeisterung während des kalten Krieges gibt es heute zwei wesentliche Unterschiede. Einerseits beteiligen sich nun private Firmen am Space Race und andererseits rücken ökonomische Aspekte des Weltraums in den Vordergrund. Folglich geht es um Kapitalisierung, Kommerzialisierung und Skalierung – inklusive der gewohnten Nebenwirkungen der kapitalistischen Expansion, zum Beispiel Umweltrisiken.

    Die OECD definiert die Weltraumwirtschaft als «Aktivitäten und die Nutzung von Ressourcen, die im Zuge der Erforschung, des Verständnisses, des Umgangs mit und der Nutzung des Weltraums Werte und Vorteile für den Menschen schaffen und bereitstellen». Eine gemeinsame Studie von McKinsey und WEF bezifferte das Potenzial 2024 bis 2035 auf jährliche Umsätze in der Höhe von 1800 Milliarden Dollar. Bereits heute erwirtschaften die involvierten Unternehmen jährlich 630 Milliarden US-Dollar. Das entspricht fast einer Verdreifachung innerhalb eines Jahrzehnts.

    Diese Erwartungen sind im Wesentlichen eine Folge der massiv gesunkenen Kosten für Raketenstarts. Noch in den 1990-Jahren kostete es 55 000 Dollar, um ein Kilo Material in den Weltraum zu befördern. «Man flog also nur in den Weltraum, wenn man musste» – kommentiert der ehemalige Forschungsdirektor der NASA, Thomas Zurbuchen im Interview mit der NZZ. Die wiederverwendbaren Raketen von SpaceX und Co. reduzieren die Kosten massiv. «Die Kosten pro Kilogramm Material, das man in den Weltraum befördert, könnten auf 100 bis 200 Dollar sinken.» Entsprechend wächst die Anzahl der in den Weltraum katapultierten Objekte exponentiell, was Investoren und Longtermistinnen magisch anzieht. Auch das Budget der NASA steigt seit 2013 kontinuierlich. 

    Für das Interesse an den Märkten des Weltraums spielen aber noch andere Gründe eine Rolle: 

    • Mission in dunklen Zeiten: Wir leben in einem dunklen Zeitalter mit viel Unsicherheit: der Blick in ferne Welten lenkt ab und spendet Hoffnung. Werden der Aufbruch zum Mond und die Zivilisation des Weltalls Begeisterung entfachen und die Menschen zusammenführen, statt auseinander treiben? Durch Weltraummissionen entstehen mentale Fixsterne, die den wissenschaftlichen Fortschritt und den Einsatz von Kapital bündeln. Im Idealfall könnte es solchen Megaprojekte gar gelingen, den menschlichen Egoismus zu brechen. Wie einst die Kathedralen ragen interstellare Projekte weit über das Leben des Einzelnen hinaus. Manch einer möchte durch den Weltraum sämtliche Probleme der Erde einfach hinter sich lassen und stattdessen auf dem Mars neu anzufangen.
    • Technologischer Fortschritt: Mit den futuristisch anmutenden Märkten der Weltraumwirtschaft verbindet sich das Versprechen tiefgreifender technologischer Fortschritte – von Raketentreibstoffen bis 3D-Drucktechnologien. Oliver Ullrich, Direktor des Innovation Cluster Space and Aviation der Universität Zürich meint, die nächste Generation werde mit «Space so aufwachsen», wie wir heute mit dem Internet. Was die technologische Dimension der Weltraumwirtschaft besonders interessant macht, sind die anfangs nicht beabsichtigten Innovationen. Ein Blick auf die Geschichte der Raumfahrt zeigt etwa, wie eng die Fortschritte in der Raumfahrt mit jenen der Solarenergie oder der satellitengestützten Kommunikation verknüpft sind – zwei Schlüsseltechnologien unserer Zeit.
    • Kommunikation der Zukunft: Ein wesentlicher Teil des Interesses am Weltraum gilt den Satellitenkonstellationen, welche die Erde künftig mit dem Internet versorgen. Prototypisch dafür steht «Starlink» von Elon Musk, das durch den Angriffskrieg auf die Ukraine weltweit Aufmerksamkeit erlangte. Wie bei KI und der Raketentechnologie geriet Europa gegenüber den USA und China in Rückstand – wodurch geopolitische, technologische und wirtschaftliche Abhängigkeiten entstehen. Weiter gedacht sind die Satellitenkonstellationen nicht nur wichtig, um die Erde zu vernetzen, sondern auch den Mond. Zu den Versprechen der Satelliten gehört die Gewinnung von Wissen über Stadt- und Wirtschaftsentwicklung sowie umweltrelevante Daten über den Klimawandel und (Tier- und Menschen-)Migration.
    • Industrie 6.0: An der Schnittstelle von wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technologischen Versprechen der Weltraumwirtschaft zeichnen sich die Konturen der Industrie 6.0 ab. Nachdem die Industrie 4.0 die Daten und die Industrie 5.0 die humanoiden Roboter in das menschliche Produktionsgeschehen integrierte, wird der Weltraum zum Standort der Fabrikation. Einerseits lockt das All mit viel ungenutztem Platz, anderseits mit seinen spezifischen Produktionsvorteilen. So könnten Datenzentren im All errichtet werden und von den extrem niederen Temperaturen profitieren. Aber auch die Produktion von Medikamenten, künstlichen Organen und Computerchips könnte bald im All stattfinden. Ein weiterer Vorteil des Weltraums: Nebenwirkungen wie radioaktiver Abfall und CO2 verpuffen.
    • Wachstumsmärkte: Durch die erwarteten technologischen Durchbrüche und die Industrie 6.0 spannen sich die von WEF und McKinsey beschriebenen Megamärkte auf. Für die Eroberer ist vor allem das enorme Wachstumspotenzial verlockend. Unternehmer, Investoren und Staatskapitalisten wollen in der Sprache von Douglas Rushkoff «Meta» gehen, also eine Ebene höher als das bisherige Geschehen klettern. Dort hoffen sie auf krasse Skaleneffekte und als Monopolisten die Märkte zu dominieren. Das Wachstum im unendlichen Weltall ist tatsächlich potenziell grenzenlos. Auf der Erde hingegen wird es immer Knappheiten geben, nicht nur wegen begrenzten Rohstoffen, sondern auch wegen der Nebenwirkungen des techno-ökonomischen Wachstums. Diese untergraben das naive Zukunftswachstum – etwa durch den Klimawandel, klimabedingte Migration oder die Nebenwirkungen steigender Temperaturen.
    • Geopolitische Positionierung: Nicht zuletzt erwacht der Weltraum aus geopolitischen Gründen aus dem Dämmerschlaf. Es geht um Symbolpolitik – etwa darum, wer wieder Menschen auf den Mond bringt und so technologische Überlegenheit multimedial demonstriert. Handfester ist der geoökonomische Griff nach Ressourcen – zum Beispiel nach seltenen Erden auf dem Mond. Genauso stehen militärische Überlegungen im Raum, beispielsweise die Stationierung von Laserwaffen, der Abschuss von Satelliten oder die Besetzung von Räumen im All. Die Supermächte wollen unter anderem die idealen Voraussetzungen für künftige Zivilisations- und Erkundungsprojekte schaffen. Überhaupt haben viele Weltraum-Innovationen Dual-Use-Charakter, da sie sowohl geopolitisch-militärischen als auch techno-ökonomischen Zwecken dienen.
  • Die eben betrachteten Argumente erklären das Interesse der Grossmächte und Grosskonzerne am Weltraum. Sie zeigen jedoch noch nicht, welche Innovationen, Märkte und Errungenschaften sich die Akteure des neuen Space Race versprechen. In meiner Recherche stiess ich auf zahlreiche Zukunftsmärkte, die ich thematisch in 25 Cluster unterteilt habe. Zur Übersicht habe ich diese Märkte in fünf Gruppen gegliedert:

    • Rohstoffe, Bau und Industrie: Im Weltraum entstehen neue Industrien, die Rohstoffe, Produktionsmöglichkeiten und Wohnräume erschliessen und nutzbar machen.
    • Energie: Die Energiequellen im All scheinen unendlich, um sie zu nutzen, braucht es Innovationen in der Gewinnung, Übertragung und Speicherung von Energie.
    • Hardware: Zur Erschliessung des Weltraums entstehen neue Fahrzeuge, Roboter, Teleskope, Drohnen und Satelliten.
    • Services: Spezialisierte Unternehmen bieten Dienstleistungen für den Aufbau und die Regulierung der Weltraumwirtschaft an.
    • Erkundung: Die menschlichen Körper sind nicht für den Weltraum geschaffen, Gentechnik, Kleidung und Wearables könnten das ändern.

    Ob und wann diese Märkte florieren oder spektakulär scheitern, ist heute schwer zu sagen. Dagegen kann man ihre Gemeinsamkeiten beschreiben. Alle 25 skizzierten Märkte sind stark technologietrieben, bei vielen geht es um Macht. In der Erschliessung kommen Robotik und KI zum Einsatz, was für ein weiteres Wachstum dieser beiden Metatechnologien spricht. Eine weitere Gemeinsamkeit ist die klare Orientierung am Wachstumsparadigma. Die Wirtschaft und die menschliche Spezies sollen sich weiter ausdehnen.

    Aus diesen beiden Argumenten ergibt sich die Vermutung, dass die Märkte des Weltraums der Skalierungslogik folgen, die wir bereits aus dem digitalen Raum kennen. Dazugehörige Stichworte sind der Plattform- und Überwachungskapitalismus oder das Winner-Takes-It-All-Prinzip. Das bedeutet: Nationalstaaten haben ein grosses Interesse, Unternehmen beim Erreichen der Skalierungseffekte zu unterstützen. Ausnahmen dieser Logik sind Beratungsleistungen oder die Interpretation von Satellitenbildern, wo Maschinen die Vorarbeit leisten, das Ableiten von Konsequenzen aber den Menschen vorbehalten bleibt.

    Kritisch betrachtet dürften die Weltraummärkte zudem die Logik der Risikogesellschaft fortsetzen. Keine moderne Technologie geht ohne Risiken einher – und die Risiken im Weltraum werden alle bisherigen technologischen Risiken übertreffen. Das gilt insbesondere für alle Aktivitäten, die das Klima, die Kommunikation und den Frieden auf der Erde beeinträchtigen, die Routen im Weltall oder den freien Blick auf ferne Sterne stören.

  • Aus einer Innovationsperspektive sind nicht nur die Technologien, Dienstleistungen und Wissenssprünge interessant, die die Weltraumakteure bewusst anstreben. Historisch sind dagegen die Innovationen bemerkenswert, die sich unbeabsichtigt durch die Raumfahrt ergeben haben. Folgt man dieser Spur, lässt sich antizipieren, dass New Space über das naive Träumen hinausgeht. Das Wiederentdecken des Weltraums verspricht auch Arbeitsplätze und alltägliche Innovationen, die irgendwann der gesamten Gesellschaft zugutekommen.

    Auf ihrer Webseite präsentiert die NASA eine Vielzahl solcher Innovationen. Die US-Bundesbehörde für Raumfahrt und Flugwissenschaft beansprucht etwa die Entwicklung des kabellosen Vakuumstaubsaugers, der Gefriertrocknung oder der drahtlosen Kopfhörer für sich. Zwei andere unbeabsichtigte Entwicklungsgeschichten sind besonders interessant.

    Raumfahrt und die Solarenergie

    Faszinierend sind erstens die Überschneidungen in der Geschichte von Raumfahrt und Solarenergie. Zwar gehen die Anfänge der industrialisierten Sonnenenergie auf das 19. Jahrhundert zurück, aber durch die Raumfahrt ergab sich ein Meilenstein mit grosser medialer und wissenschaftlicher Wirkung.

    1958 wurde «Vanguard 1» (1.5 Kilo, Durchmesser von 16,5 cm) als vierter Satellit ins All katapultiert. Es war das erste Raumfahrzeug, das zur Stromversorgung auf die Photovoltaik setzte. Die Portraitaufnahmen von Vanguard zeigen, wie winzig die von den Bell Laboratorien entwickelten Siliziumzellen waren – erst recht im Vergleich zu den riesigen Solarparks der Gegenwart. Die Militärs hatten der Sache allerdings misstraut und statteten Vanguard zusätzlich mit einer Batterie aus. Ihre Skepsis war unbegründet. Die Signale des solarbetriebenen Senders konnten über sieben Jahren empfangen werden, die Batterien dagegen hielten gerade mal drei Monate. Gemäss NASA ist Vanguard 1 der älteste Satellit, der noch immer durch das All fliegt.

    Um die Solarenergie irdisch und massentauglich zu machen, mussten die Kosten sinken und neue Anwendungsfälle getestet werden. Die Verbreitung führte über Solarzellen zur Beleuchtung von Bojen, die als Navigationshilfen dienten – eine Anwendung, bei der ebenfalls die öffentliche Hand involviert war. 

    Raumfahrt und der neue Blick auf die Erde

    Eine zweite überraschende Innovation der Raumfahrt war der neue Blick auf die Erde. Aus der Ferne erkannten die Astronauten beim Blick auf die aufgehende Erde einerseits deren Zerbrechlichkeit. «We came all this way to explore the Moon, and the most important thing is that we discovered the Earth» – wird der Apollo-8-Astronaut Bill Anders regelmässig zitiert. Anderseits wurde durch den Blick aus dem All die Erde als Einheit sichtbar, auf der die Zukunft aller Bewohnenden zwangsläufig miteinander verbunden ist.

    Die «Blue Marble», aufgenommen 1972 auf der Apollo-17-Mission, zählt zu den symbolträchtigsten Bildern des 20. Jahrhunderts. Rückblickend wird es eng mit dem Aufstieg der modernen Umweltschutzbewegungen seit den 1960er Jahren verknüpft. Genauso beeinflusste Blue Marble die antiautoritäre und antielitäre Gegenkultur des Silicon Valleys, wo eine bunten Truppe aus Systemtheoretiker:innen, Umweltschützer:innen, Computerfreaks und Anhänger:innen psychodelischer Drogen ein vernetztes, ganzheitliches Denken forderte.

    Sie sahen eine Zukunft vor, in der Netzwerke es Individuen und Communities erlauben sollten, dezentral zu entscheiden. Der «Whole Earth Catalog» (samt Cover der blauen Murmel auf dem ersten Cover) illustriert diese Denkweise und wird heute als analoger Prototyp des Internets verstanden. Er war genauso Wissensverzeichnis wie Versandkatalog und ermunterte zur Do-it-Yourself-Kultur, ohne aber Distanz zum Kapitalismus zu nehmen. Man kann die Blue Marble Perspektive deshalb auch als Anfang einer Denkweise setzen, die mit Hilfe von Netzwerken den gesamten Globus umspannen, wenn nicht gar beherrschen will.

     

    Was könnte es dieses Mal die unbeabsichtigte Innovation sein?

    Die möglichen unbeabsichtigten Folgen der Weltraumwirtschaft im 21. Jahrhundert zu benennen, ist noch spekulativer als die antizipierten Innovationen. Ich möchte deshalb mit Fragen arbeiten – und konzentriere mich auf die positiven Ausblicke:

    1. Was, wenn die Herausforderungen von Flügen und längeren Aufenthalten im Weltraum zu medizinischen Innovationen führen, welche die menschliche Lebenserwartung nochmals um 10 oder 20 Jahre verlängern?
    2. Was, wenn die Weltraumwirtschaft die Einsicht stärkt, dass Umweltschutz nicht nur auf der Erde, sondern auch im Weltraum unverzichtbar ist?
    3. Was, wenn das Bauen auf dem Mond zu Innovationen beim Bauen mit 3D-Druckern und zu ökologischen unterirdischen Bauformen führt?
    4. Was, wenn die Suche nach neuen Antrieben zu Innovationen in der Flugindustrie führt und wir künftig schneller und ökologischer fliegen?
    5. Was, wenn die Erforschung der Quantenphysik im Weltraum zu Durchbrüchen in der Quantentechnologie führen und damit die Kommunikation, die Datenverarbeitung und KI revolutionieren?
    6. Was, wenn durch die Aktivitäten der Weltraumökonomie neue Energieformen auftauchen, die nachhaltig, günstig und quasi unerschöpflich sind?
    7. Was, wenn die Entwicklung von technologieaffinen und minimalistischen Weltraumhabitaten die Skalierung von Lösungen für nachhaltiges und kreislaufgerechtes Wohnen auf der Erde anregt?
    8. Was, wenn die Erkenntnisse durch Satelliten, Teleskope und Weltraumflügen ausserirdisches Leben entdecken und zu einem neuen Verständnis des Lebens auf der Erde führen?
    9. Was, wenn der Bedarf an Kapital und Wissen Politiker zur Einsicht bringt, dass die Bewohnenden der Erde kooperieren müssen, wenn die Spezies das All tatsächlich zivilisieren will?
    10. Was, wenn sich durch Langzeitmissionen neue Formen der Gemeinschaftsorganisation und der politischen Entscheidungsfindung entwickeln, die auf der Erde übernommen werden?
  • Wie bereits bei den digitalen Märkten hinkt Europa auch bei den Weltraummärkten den globalen Supermächten hinterher. Weil das Ausschöpfen dieser Renditen noch sehr weit entfernt in der Zukunft liegt, könnte man meinen, dass der Rückstand nicht besonders schlimm ist. Und überhaupt: Sollten wir unsere Zukunft nicht auf der Erde statt auf dem Mond, dem Mars oder anderen Himmelskörpern planen? Ist es nicht absurd, das Klima fremder Planeten zu hacken und dort Ressourcen abzubauen, wo doch auf unserem Heimatplaneten alles vorhanden ist?

    Doch man kann den Rückstand Europas anders beurteilen. Zum einen sprechen die enormen Renditen und Margen der «First Mover» einer Innovationswelle dafür, sich frühzeitig mit den Weltraummärkten zu befassen. Es sind High-Tech-Märkte – und wer hier mitspielt, sichert sich einen vorderen Platz in der wirtschaftlichen «Futterkette» inklusive hohen Margen und Zweitverwendungen von Erfindungen in anderen Bereichen. Die nicht intendierten Innovationen des Space Race 1.0 unterstreichen dieses Argument. Zum anderen senden die heutigen Machtstrukturen im Internet ein wichtiges Signal aus.

    Um sich von amerikanischen und chinesischen Akteuren unabhängig zu machen, sollte Europa rasch eigene Infrastrukturen für den Weltraum aufbauen. Das beginnt mit eigenen Raketen und einer eigenen Satellitenkonstellation für die Kommunikation der Zukunft. Angesichts der hohen Investitionskosten werden Staaten als Investoren zwangsläufig eine Rolle spielen müssen. Aus einer europäischen Perspektive wäre es wünschenswert, wenn die reichen und technologieaffinen Staaten des Kontinents wesentlich stärker als heute kooperieren würden. Weiter sind der Zugang zu Risikokapital und die Zukunftsbegeisterung entscheidend. Es braucht Forschung und vielleicht ganz neue Berufsbilder, zum Beispiel Weltraum-Mechaniker.

    Europa darf nicht naiv auf die Weltraumträume blicken. Die staatskapitalistischen Strategien der USA und China zeigen deutlich, dass der Weltraum nicht nur wirtschaftlich bedeutsam ist, sondern als zunehmend umstrittene geopolitische und militärische Arena fungiert. Dazu passend hat die NATO 2019 das All zum «fünften Operationsbereich» erklärt – neben Land, See, Luft und Cyberspace.

    Der Wettlauf ins All ist mehr als Science-Fiction – er ist ein geopolitisches und ökonomisches Projekt, das mitentscheidet, wer die nächsten Jahrhunderte gestaltet.